WIRTSCHAFTSSPIEGEL - Ausgabe 05/23

Thüringen 8 Alle Jahre wieder gehen Politiker auf Sommertour. Da macht auch Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee keine Ausnahme. Was steckt hinter diesem Ritual? Welche Impulse konnte der Minister aufnehmen, welche Botschaften den Unternehmen mitgeben? Im WIRTSCHAFTSSPIEGEL-Interview zieht Tiefensee Bilanz seiner diesjährigen Sommertour. „Unternehmen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen“ Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee im Interview Herr Minister, Sie haben gerade Ihre Sommertour absolviert, ebenso wie Ihr Staatssekretär Carsten Feller. In beiden Fällen ging es um Zukunftsthemen. Ich nehme an, dass Sie sich schon mal zu Ihren Eindrücken ausgetauscht haben. Wie fällt Ihr Fazit aus? Energiepreise, Fachkräftemangel, globale Lieferprobleme und die Transformation zur Klimaneutralität waren die beherrschenden Themen in den Unternehmen. Es gibt enormen Investitionsbedarf und viel Unsicherheit. Aber die Betriebe haben sich diesen Herausforderungen längst gestellt, arbeiten an neuen Lösungen, organisieren beispielsweise ihre eigene CO2neutrale Energieversorgung. Es ist bemerkenswert, wie viel Kreativität und Zukunftswille hier sichtbar werden. Mir wurde immer wieder auf den Weg gegeben, auf Bundesebene für mehr Planungssicherheit zu sorgen. Neue Belastungen, Vorgaben und Regulierungen – noch dazu oft über die europäischen Standards hinaus – müssen unterbleiben, weil sie die Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich beeinträchtigen. Ich teile und unterstütze die klare Forderung an Bund und Land nach einer Atempause. Wir sollten uns jetzt auf Transformation und Klimaschutz konzentrieren, anderes muss aufs Minimum reduziert werden oder besser zunächst zurückstehen. Nehmen wir einmal an, Sie hätten einen Schulaufsatz zu schreiben, Thema: mein schönstes Ferienerlebnis. Also im übertragenen Sinn: Was würden Sie als prägendstes Erlebnis Ihrer Sommertour beschreiben? Das ist jetzt vielleicht nicht ganz neu, aber die Erfahrung, wie viele „Hidden Champions“ wir in Thüringen haben, wie viele Firmen es in Handwerk und Industrie gibt, die sich mit klugen Ideen und innovativen Produkten in Thüringen und auf umkämpften Märkten behaupten, das fasziniert mich jedes Mal wieder. Und das ist auch bei meiner Sommertour wieder so gewesen. Ich denke da zum Beispiel an Firmen wie Adtran in Meiningen, Feintool in Jena, CBV Blechbearbeitung in Laasdorf oder Prinz Thermotechnik in Waltershausen, um nur einige Beispiele zu nennen. Es drängt sich die Frage auf, weshalb solche Sommertouren überhaupt durchgeführt werden. Sie sind ja auch sonst oft in Thüringer Unternehmen unterwegs. Wo liegt der Erkenntnisgewinn? Sie haben Recht, ich bin tatsächlich das ganze Jahr über auf Tour. So gesehen geht es bei einer Sommertour darum, in besonderer Weise und konzentriert auf Themen und Firmen aufmerksam zu machen. Der Vorteil ist, dass das übergreifende Motiv schon im Vorfeld feststeht und die Betriebe entsprechend ausgesucht werden. Mir ist wichtig, fortlaufend ein direktes und unverstelltes Bild der Wirklichkeit zu bekommen und ansprechbar zu sein. Deshalb lege ich großen Wert darauf, regelmäßig mit Geschäftsführern, aber selbstverständlich auch mit Betriebsräten im Austausch zu sein. Glauben Sie mir, die Erfahrungen und Erkenntnisse fließen direkt in die Arbeit meines Ministeriums ein. Ich lerne immer wieder dazu, um zukünftig Verfahren zu entbürokratisieren, Förderrichtlinien anzupassen oder um Hilfestellung für ein konkretes Unternehmen geben zu können. Wie haben wir uns das eigentlich vorzustellen: Nach welchen Kriterien werden die Besuchsstationen einer solchen Sommertour ausgewählt? Wie repräsentativ kann das dadurch entstandene Bild für einen Minister überhaupt sein? In diesem Jahr waren verschiedene Kammern in die Vorbereitung der Tour eingebunden, die Auswahl der Firmen ist dort erfolgt, unter anderem nach einem Kriterium wie Unternehmensgröße. Das war sehr hilfreich, für die Unterstützung auch an dieser Stelle nochmal herzlichen Dank. Es war mir genauso wichtig zu hören, was der Handwerker mit einem Angestellten zu sagen hat wie das Großunternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten. Es geht dabei nicht in erster Linie um Repräsentativität – ein festes Gesamtbild baut sich ohnehin erst über viele Besuche und Vor-Ort-Termine im Laufe von Wochen und Monaten auf. Vielmehr geht es darum, aus erster Hand zu erfahren, wo den Unternehmen der Schuh drückt, besser noch, wie deren Lösungsansätze exemplarisch für andere sein können. Wenn man die Medien betrachtet, dann wird dort überwiegend ein düsteres Bild der deutschen Wirtschaft gezeichnet. Welche Probleme sind von den Unternehmen an Sie herangetragen worden? Ich halte nichts von einer Untergangsstimmung, aber ja, die Lage ist extrem

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